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  • jenthornautorin

Kaffee mit Samantha Reed

 

Da ich gerade an der Überarbeitung von "Samantha Reed - Falsches Spiel" sitze, hat sich Samantha selbst zum Kaffee eingeladen. Irgendwie hat sie keinen Bock, dass ich sie wieder oder vielleicht noch intensiver durch die Hölle schicke.

Na gut, lass sie es versuchen. Das letzte Wort habe immer noch ich!

Als wir so bei der gefühlt fünfzigsten Tasse Kaffee sitzen und über ihre Rolle in meiner Story diskutieren, überkommt mich das Bedürfnis, die ganze Flüssigkeit wieder loszuwerden.

"Merk dir, was du sagen wolltest. Ich muss mal aufs Klo, dann reden wir weiter."

Samantha blickt von ihren Notizen auf und verdreht betont langsam - damit es mir bloß nicht

entgeht - ihre grünen Augen. Dennoch spart sie sich jedes Wort. Ich beeile mich und verlasse den Raum in Richtung Toilette. 

Kaum bin ich im Flur um die Ecke gebogen, kommt jemand - oder eher etwas - von der anderen Seite. Fast hätte ich den schwarzen Schatten übersehen.

Gelogen! Niemals hätte ich diesen schwarzen Fleck übersehen!

Genauso überrascht - vielleicht sogar panisch - wie ich, starrt mich eine handtellergroße, flauschige (nein, wir wollen sie nicht verharmlosen - behaarte), schwarze Spinne an. Reflexartig springe ich zurück. Die Spinne tut es mir gleich.

Echt jetzt?!

Langsam schaue ich um die Ecke und auch der schwarze Fleck bewegt sich wieder nach vorne. Verdammt, ich hasse Spinnen und die ist riesig! Aber ich muss aufs Klo!

"Sam!", schreie ich fast panisch und keine Sekunde später steht sie mit gezogener Waffe neben mir.

"Ernsthaft?! Du hast eine geladene Waffe mitgebracht?!" Dreht sie jetzt völlig durch?

"Nach allem, was du mir angetan hast, kannst du froh sein, dass ich sie nicht gleich bei meiner Ankunft benutzt habe", erklärt sie völlig emotionslos und ihr Blick gleitet durch den Flur. "Was ist denn los? Warum kreischst du, als wäre eine Armee Massenmörder einmarschiert?"

Langsam hebe ich meinen Zeigefinger und deute zitternd auf die Spinne. Samanthas Augen sinken zu Boden, wandern langsam wieder zu mir und Ungläubigkeit liegt in ihnen.

"Meinst du das ernst?", fragt sie leise und sichert die Waffe wieder.

"Kannst du sie bitte töten oder wegmachen?", frage ich und ignoriere den verächtlichen Blick, den sie mir zuwirft.

"Nein", kommt es ohne Zögern und eiskalt aus ihrem Mund.

"Bitte, Sam."

"Nein."

"Ich mag Spinnen wirklich nicht und diese hier ist riesig und haarig. Außerdem muss ich aufs Klo."

"Wow. Ich fasse es nicht. Du tötest meine Freunde, schießt auf mich, schickst mich durch Folter und die Hölle und jetzt verrätst du mir, dass du Angst vor einer winzigen Spinne hast? Das ist dein Problem. Ich werde dir nicht helfen."

Meine Augen weiten sich vor Entsetzen. Hat sie das gerade wirklich gesagt? "Ich habe dich doch immer irgendwie aus der Scheiße rausgeholt, oder?"

"Irgendwie, ja. Aber in erster Linie hast du mich diese Scheiße geritten. Und das hier ist dein Problem. Du wolltest doch eigentlich gar nicht, dass ich hier bin. Erinnerst du dich? Also tu so, als wäre ich es auch nicht." Mit einem überlegenen Lächeln lehnt sie sich an die Wand und verschränkt ihre tätowierten Arme vor der Brust.

Wut kocht in mir hoch. Diese undankbare Prota!

"Gib mir deine Waffe", fordere ich schließlich und strecke ihr erwartungsvoll die Hand entgegen.

"Ganz bestimmt nicht."

"Komm schon, Sam. Wenn du sie nicht beseitigst, lässt du mir keine andere Wahl."

Das Lächeln um ihre Mundwinkel wird breiter und in ihren Augen blitzt ein fieses Funkeln auf. "Nein, ich lasse dir wirklich keine Wahl, denn du wirst diese Spinne nicht töten, sondern sie vor die Tür bringen."

"Was zum ... ?! Bist du verrückt?! Auf keinen Fall!"

Samantha zuckt mit den Schultern. "Dann wirst du stundenlang hier stehen und dir wahrscheinlich in die Hose pinkeln. Aber wenn du das tust, werde ich dich wirklich erschießen."

Das glaube ich jetzt nicht! Warum ist meine Prota so ein Dreckstück?

Entschlossen atme ich tief durch und schaue mich um. Hinter mir ist nur noch die Küche. Ich deute auf die Spinne und fixiere Samantha mit einem - hoffentlich - einschüchternden Blick. "Lass sie nicht aus den Augen."

Es folgt kein Kommentar und ich eile in die Küche, während ich eine Million Blicke über meine Schulter werfe. Vorsicht ist besser als Nachsicht. Nicht auszudenken, wenn dieses haarige Biest irgendwo verschwindet!

In der Küche öffne ich alle Schränke und suche nach dem größten Behälter, den ich finden kann. Meine Wahl fällt auf eine Tupperdose, dass sie durchsichtig ist, stört mich ein wenig, aber etwas Größeres habe ich nicht. Aus dem Altpapier fische ich den dünnsten, aber stabilsten Kartonstreifen, den ich finden kann. Nicht zu dick, damit ich die Schüssel nicht zu weit anheben muss, aber auch nicht so dünn, dass er sich leicht nach unten biegt.

So bewaffnet trete ich neben Samantha in den Flur zurück, die mich und die Utensilien in meinen Händen mustert.

"Was willst du fangen? Den Windhund des Nachbarn?"

"Halts Maul oder mach's selbst", fauche ich sie an, woraufhin sie entschuldigend die Hände hebt und sich wieder an die Wand lehnt, um mich zu beobachten.

Mein Herz klopft so heftig, dass ich das Gefühl habe, es würde jeden Moment aus meinem Brustkorb reißen und einfach davonlaufen. Angstschweiß steht mir auf der Stirn und auch sonst habe ich das Gefühl, dass die Luftfeuchtigkeit gerade um 100% gestiegen ist.

Was tue ich hier? Vielleicht sollte ich einfach aus dem Küchenfenster springen und das Haus abfackeln. Mit Samantha darin!

Ich traue mich nicht weiter auf die Spinne zuzugehen, also beuge ich meinen Oberkörper und ziele mit der Tupperdose auf die Spinne. Wenn ich genau ziele, sollte die Dose auf ihr landen, ohne dass ich ihr zu nahe komme.

"Das ist doch lächerlich, Jen. Wenn du die Dose wirfst, erschreckst du die Spinne nur und sie wird in die kleinste und dunkelste Ecke flüchten."

Natürlich weiß ich, dass Samantha recht hat - warum habe ich ihr nur ein Gehirn geschenkt?!

Langsam nähere ich mich der Spinne und sinke in die Hocke. Fast auf Augenhöhe wirkt sie noch furchterregender und meine Hände sind mittlerweile so feucht, dass mir die Schüssel zu entgleiten droht. Ein letztes Mal atme ich tief durch und nehme all meinen Mut zusammen. Dann halte ich die Schüssel beherzt über die Spinne und fange sie. Erschrocken starrt sie mich durch das durchsichtige Material an und springt wütend gegen die Innenwand.

Ich springe zurück in die Höhe - ich brauche Abstand, bevor ich mich traue, sie nach draußen zu tragen.

"Nicht schlecht", höre ich Samantha durch das Rauschen in meinen Ohren sagen. Dann tritt sie neben die Dose und stößt sie mit einem gezielten Tritt um. Die Spinne ist frei und flüchtet in einem Affenzahn unter die Garderobe im Flur.

"Was soll der Scheiß, Sam?!"

"Viel Spaß und süße Träume heute Nacht", flüstert meine Prota und verlässt den Flur in Richtung Haustür. "Ich treffe mich jetzt mit Dean. Wir sehen uns."

Ich bleibe zurück. Wütend. Mein panischer Blick haftet auf der Garderobe. Was, wenn die Spinne selbst Autor:in ist und jetzt in ihrem dunklen Versteck ihre dämonischen Protas ruft, um sich an mir zu rächen?


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