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Entscheidungen

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Es ist dunkel. Nicht zu sagen stockfinster. Der Regel prasselt unaufhaltsam auf das Dach und jeder Tropfen klingt in der Stille der Nacht wie nicht enden wollende Schüsse aus einem Maschinengewehr. Der Donner, der irgendwo in der Ferne wie ein wütender Riese grollt, vertieft das Gefühl des Unbehagens. Blitze, die in Abständen den Himmel erhellen, sind das einzige Licht. Bedrohlich und warnend.

Ich selbst stehe nur da. Stumm. Reglos. Ein Schatten unter vielen.

Doch so ruhig ich äußerlich wirke, so aufgewühlt und stürmisch sind meine Gedanken. Sie schreien, wirbeln und fluten auf mich ein. Fordern mich auf, eine Entscheidung zu treffen. Eine Entscheidung, die mich und mein Leben verändert.

Wäre es leicht, stünde ich jetzt nicht hier in dieser arschfinsteren und gruseligen Nacht. Ich würde mir nicht die Haare raufen vor Verzweiflung, ob ich den richtigen Weg eingeschlagen habe. Ob es womöglich falsch ist, hier zu sein.

Doch wenn ich so darüber nachdenke, habe ich schon viele fehlerhafte Entschlüsse getroffen. Hätte ich mich vor einigen Jahren nicht für diesen Weg entschieden, wäre mein Dasein möglicherweise leichter. Mag sein, dass ich einen 0-8-15-Job in einem langweiligen Büro hätte. Mit einer 0-8-15-Frau verheiratet wäre und mit 0-8-15-Kindern in einem öden Vorstadthaus leben würde.

Aber klingt das nach einem Leben, welches ich leben möchte? Jemand wie ich? Der seine ganze Existenz über nach seinen eigenen Regeln gespielt hat? Eiskalt und Rücksichtlos. Ohne Gefühle und erst Recht ohne Gewissen.

Und doch stehe ich jetzt hier. Zögere. Überlege. Zum allerersten Mal bin ich mir meinem Weg nicht sicher. Und warum zum Teufel?

Weil ich verdammt nochmal zum wirklich aller ersten Mal eine eigene Entscheidung treffe!

Bis heute habe ich mein Leben diktiert bekommen. Ich lebte nach einem Kodex. Dem Kodex meines Vaters. Er behauptete, nur so könnte ich mich und mein Verlangen kontrollieren. Aber wer wahrhaftig die Kontrolle hatte, war er. Er gab die Richtung vor. Wählte mein Ziel. Ich war nichts weiter als seine Marionette.

Und nun muss ich mich entscheiden. Zerschneide ich die Fäden oder spiele ich weiter nach seinen Regeln?

Ich betrete den Nachbarraum und blicke in das Gesicht meines Vaters. Es wird erhellt vom Kerzenschein. Dem einzigen Licht, in dem sonst völlig von Finsternis eingenommen Raum. Der goldene Schein verfängt sich in der Angst in seinen Augen und tanzt geradewegs mit den Dämonen in den meinen.

Ich trete näher, ziehe das Panzertape von seinem Mund. Schnell gnadenlos, wie ein Pflaster von einer alten Wunde.

„Du machst einen Fehler.“ Diese Worte sagt er mir immer wieder, seit ich ihn betäubt und auf diese Barre gefesselt habe.

Ja, womöglich hat er recht. Wie immer? Aber liegt er tatsächlich richtig? Immer? Jedes verfluchte Mal? Er zwang mich, zu morden. Menschen zu knebeln und ihnen die Kehle durchzuschneiden.

Es seien bösartige Menschen, sagte er mir. Ohne Moral, ohne Sinn für Gerechtigkeit. Und jedes einzelne Mal, war ich es, der das Messer in ihre Brust stieß oder die Hauptschlagader in ihrer Kehle durchschnitt, um zuzusehen, wie das Leben in einem dicken, roten Schwall aus ihnen wich.

So friedvoll.

Ein Lächeln legt sich um meine Lippen und noch bevor ich es selbst erkenne, realisiert mein Vater, dass ich eine Entscheidung getroffen habe. Die Angst in seinen Augen wandelt sich zu blanker Panik. Er zappelt und rüttelt an seinen Fesseln. Dabei weiß er genau, dass sie sich nicht lösen. Er war es, der mir gezeigt hat, wie man seine Opfer knebelt.

Dann stoße ich das Messer auf ihn herab. Akribisch in sein Herz. Die Klinge glitzert im Kerzenschein und dunkles Blut sickert aus der Wunde und wirkt fast schwarz im spärlichen Licht.

Ich bin ein Monster und ich lasse mir keine Leine anlegen.

Urheberrecht ©Jen Thorn

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