"Was zur Hölle treibst du da?", ertönt eine Stimme hinter mir, und ich muss nicht einmal über meine Schulter schauen, um zu wissen, dass Samanthas Gesichtsausdruck alles andere als freundlich ist.
"Ich bereite alles für die Party vor", antworte ich und mache unbeirrt weiter.
"Und welche Party braucht eine Schwert-Girlande über der Eingangstür? Halloween ist erst in drei Wochen und ich denke, es gibt ansehnlichere Dekorationen."
"Wer redet denn von Halloween?" Ich zupfe die Schwerter ein letztes Mal zurecht und steige von der Leiter, um mein Werk zu begutachten. "Das ist für die Cover-Release-Party am Mittwoch."
"Welche Cover-Release-Party?"
"Nicht meine", meldet sich eine andere Stimme und sofort dreht sich Samantha um und kontert: "Du bist nicht einmal Protagonist. Daher kann es gar nicht deine sein."
"Tja, Reed, die deiner großen Klappe ist es auch nicht."
"Und warum sind wir dann hier, Connor?", will jetzt Dean wissen und beäugt meine Schwertgirlande skeptisch.
"Weil zu einer guten Party viel Alkohol gehört." Connor will an mir vorbei ins Haus, doch ich stelle mich ihm in den Weg. "Kippe aus, im Haus wird nicht geraucht."
"Serious, Thorn?" Connor verdreht genervt die Augen, nimmt einen letzten tiefen Zug und schnippt den Zigarettenstummel auf die Straße. Ich will protestieren und ihn auffordern seinen Müll aufzusammeln, doch er ist schon im Haus. "Verfluchter Rockstar", murmel ich und hebe den Zigarettenrest auf.
"Wo zum Henker war meine Cover-Release-Party?", fragt Samantha jetzt und verschränkt die Arme vor der Brust.
"Das ist was anderes, Sam. Shórrpáda ist mein Debüt. Meine erste Story, die so richtig ernsthaft veröffentlicht wird, und zwar nicht for free."
"Wow, schön zu sehen, dass du der Meinung bist, die Hölle, durch die du mich gejagt hast sei nur lesenswert, wenn man sie umsonst bekommt."
"Ihr glaubt, Euch hätte man durch die Hölle geschickt?" Ein verächtliches Schnauben von Antry folgt einem ablehnenden Kopfschütteln.
"Du glaubst, du hast die Hölle gesehen? In welchem Folterkeller hast du denn als Spielzeug gedient?"
"In dem Folterkeller meiner eigenen Seele", knurrt der Krieger und seine warmen braunen Augen verdunkeln sich.
"Ist das nicht ein bisschen viel Drama, Dude?" Die Frage kommt von Connor, der mit einer Zigarette in der einen und einer Flasche Whiskey in der anderen Hand aus dem Küchenfenster lehnt.
"Ist das dein beschissener ernst, Connor? Ich habe gesagt im ..."
"Die Kippe ist nicht im Haus", unterbricht mich der Rockstar und ich hinterfrage meine Intension, ihn eingeladen zu haben.
"Gedenkt ihr diesen Abend wieder mit Unmut zu bestreiten? Wenn dem so ist, dann kehre ich um und bleibe für mich." Dandelias Stimme ist ruhig und sie bleibt vor der Treppe zur Tür stehen.
"Wieder? Wovon redest du, Girl?", will Connor wissen und nimmt einen großen Schluck Whiskey, wobei mir auffällt, dass er bereits die halbe Flasche intus hat.
"Das Kaff. Der Friedhof. Jede Menge Spaß", erklärt Samantha und erst jetzt sehe ich, dass sie eine Handfeuerwaffe trägt und auch Dean nicht unbewaffnet ist.
"Was stimmt mit euch nicht? Das hier wird eine Party, kein Massaker!"
Sofort wandern alle Augenpaare zu Pistolen, Schwertern und Dolchen.
"Du glaubst doch nicht, dass ich nach der letzten Nummer auch nur noch ein einziges Mal unbewaffnet an irgendeinen Ort gehe, zu dem du mich rufst."
"Ich stimme Sam da zu." Dean zuckt die Schultern und richtet seine schwarze Lederjacke über dem Halfter. "Ich bin aber gewillt meine Knarre stecken zu lassen, wenn ich ein Bier bekomme."
"Leute, ihr habt schon mitbekommen, dass die Cover-Release-Party erst am Mittwoch ist?"
"Aus welchem Grund sind wir dann bereits heute hier?", stellt Antry die Gegenfrage und ihm ist anzumerken, dass ihm diese Welt noch immer nicht gefällt.
"Glaubst du, ich schmeiße diese Party alleine? Ich brauche Unterstützung."
"Sorry, Jen, das ist nicht meine Cover-Release-Party, weshalb sollte ich helfen? Wann hast du mir jemals geholfen? Alles was ich von dir bekomme, sind Folter, Narben, nervige Rockstars, Ghuls ..."
"Verbrennungen", wirft Dean ein und Samantha nickt zustimmend.
"Schon okay, ich hab's kapiert!", stoppe ich die Aufzählung und versuche zu beschwichtigen indem ich sage: "Wenn ihr mir jetzt helft, dann bekommt ihr vielleicht irgendwann eine eigene Party?"
"Irgendwann?"
"Nun ja, es wird noch Band 2 und 3 von Shórrpáda geben. Diese Party ist erstmal nur für den ersten Band."
"Und bei irgendwann reden wir von?", fragt Samantha und Connor wirft ein: "Du solltest lieber fragen, ob das noch zu unseren Lebzeiten erfolgt."
"Leben?" Antry lacht rau auf. "Das was wir unter ihr tun, ist Überleben und nicht leben."
"Was seid ihr denn so negativ? Leute, wir planen eine Party. Ihr solltet euch freuen."
"Worüber? Herausfinden zu können, wie oft man dem Tod entkommen kann? Oder wie viel Glaymermoarr man zur Heilung trinken kann, bevor es womöglich nicht mehr wirkt oder Nebenwirkungen verursacht?"
Alle Augenpaare richten sich auf den Krieger, der die Einfahrt entlangkommt und seine Umgebung mit unergründlichen grünen Augen betrachtet.
"Möglicherweise zieht es auch darauf ab, zu erkunden welche Knochenbrüche die schmerzhaftesten sind oder wie viel entstellte Leichen man ertragen kann, bevor man daran zerbricht."
"Ich kenne den Typen nicht, aber seine Einstellung gefällt mir. Prima Inspiration für ein paar Songs."
"Connor halt die Schnauze", platzt es aus mir heraus, bevor ich mich dem Neuankömmling zuwende. "Iskaii, immer wieder schön, deine motivierende, positive Energie zu spüren." Er erwidert nichts, also rede ich weiter: "Du weißt, dass dieses Cover-Release unter anderem dir zu verdanken ist? Kannst du dich nicht ein bisschen darüber freuen, dass ich mich entschieden habe, deine Story zu meinem Debüt zu machen?"
"Seine? Ich glaubte bisher Dandelia und ich wären mit ihm gleichgestellt."
"Eure Story - sorry! Ich habe mich kurz in diesem tiefen grün von Iskaiis Augen verloren und ..." Ich räuspere mich und wechsle das Thema. "Egal. Wenn ihr dann jetzt soweit seid, könntet ihr mir ja mit den Vorbereitungen helfen."
"Nope, such dir jemand anders. Ich komme aber gerne auf ein oder zwei Whiskey am Mittwoch vorbei", erklärt Samantha und sagt dann an Dean gewandt: "Ich glaube in L.A. gibt es einen tollen neuen Burgerladen."
"Klingt nett." Der Polizist nickt und folgt Samantha die Straße entlang, während ich ihnen nachrufe: "Hey! Ihr könnt nicht einfach abhauen."
Aber ich bekomme nur ein unfreundliches Winken mit erhobenem Mittelfinger zurück.
"Na schön, dann eben nicht", sage ich genervt und wende mich lächelnd an Antry, Dandelia und Iskaii. "Aber ihr seid dabei, oder? Schließlich ist es eure Party."
"Ich denke nicht. Mein letzter Aufenthalt in dieser Welt dauerte bereits viel zu lange und der Gestank dieser Kreaturen haftet heute noch an mir. Ich bevorzuge meine Welt. Aber danke für die Einladung." Iskaii verbeugt sich knapp und verschwindet.
"Dandelia? Antry?", frage ich kleinlaut.
"Die Niasianer sind freundlicher als diese Welt", ist alles, was ich von Antry als Antwort erhalte.
"Iskaii und Antry haben recht. Diese Welt ist auf ihre Weise furchterregend und obgleich ich ein paar Atemzüge ohne Niasianer genieße, so braucht unsere Welt uns und die deine birgt Gefahren, denen ich mich nicht erneut stellen möchte."
"Aber das in diesem Kaff war ...", fange ich an, doch die beiden Krieger haben sich bereits abgewandt.
"Ist das euer verdammter ernst? Ich habe euch erschaffen und bin bereit mit euch diesen Schritt der Veröffentlichung zu wagen und ihr lasst mich hängen?"
"Hättest mal mich zum Prota gemacht, Thorn", tönt es vom Küchenfenster und ein Zigarettenstummel wird hinausgeschnippt.
Ich übersehe die Kippe absichtlich und frage: "Hilfst du mir?"
"Bestimmt nicht. Aber ich verbringe bis zur Party gerne ein paar Tage auf deiner Coach und schreibe an neuen Songs." Damit verschwindet Connor vom Fenster ins Innere und ich bleibe alleine zurück.
"Dann besorge ich besser noch mehr Whiskey", seufze ich und bin dankbar, dass ich ein paar treue Bookstagramer habe, die mich den Coverrelease nicht gänzlich alleine durchstehen lassen.
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