Feuer
Die sengende Hitze hüllte mich in einen qualvollen Griff, der meinen Körper zu verbrennen und zu verformen drohte. Es war wie ein brennendes Fieber, das den nahen Tod ankündigte. Schweißperlen rannen mir über die Haut wie heißes Regenwasser und fraßen sich gierig in meine Kleidung, bis sie sich wie eine zweite Hülle an mich schmiegte. Strähnen meines langen Haares klebten mir wie ekelerregende Algen im Gesicht und legten sich umschlingend um die nackten Arme.
Der beißende, übelriechende Geruch des eigenen Schweißes kroch mir in die Nase, während sich langsam ein anderer, noch intensiverer Duft dazu mischte. Es war das Aroma von Verbranntem, eine seltsame Mischung aus Kohle und Asche und dem Geruch von Grillwurst.
Plötzlich riss ich die Augen auf und der Atem blieb mir im Hals stecken. Vor mir erstreckte sich eine erbarmungslose Feuerwand, die in einem rotorange leuchtete. Die ungeheuerliche Hitze, die sie ausstrahlte, ließ den Plastikrahmen der Deckenlampe schmelzen, Tropfen fielen auf den Boden herab. Flammen, die sich in verzerrten Wirbeln bewegten, züngelten über die Möbel und alles, was in ihrer Reichweite lag, wurde in Sekundenschnelle zu Asche. Eine entsetzliche Gewalt, die alles verschlang und mein Herz mit lähmender Angst erfüllte.
Dunkelheit hüllte das Zimmer ein, nur durchbrochen vom wütenden Schein des Feuers, das unaufhaltsam näher kam. Silhouetten tanzten in der erbitterten Feuerwalze, geisterhafte Gestalten inmitten des Infernos, und ich wagte kaum darüber nachzudenken, wen diese Umrisse zeichneten. Die Hitze durchdrang meine Haut, als wollte sie mich verzehren, und mit jedem Atemzug wurde die Luft dicker und unerträglicher.
Panik kroch durch meine Adern wie ein giftiges Gebräu. Das Herz schlug in einem wilden Rhythmus, als würde es jeden Moment zerspringen. Es hämmerte heftig gegen den Brustkorb, wie in einem verzweifelten Versuch, zu entkommen. Aber wohin sollte es, sollte ich fliehen? Die Flammen hatten den einzigen Ausgang versperrt und das Fenster hinter mir erschien wie ein rettender Stern in weiter Ferne. Das Zimmer lag vier Meter über dem gnadenlosen, harten Asphalt.
Meine Haut schien auszutrocknen, jede Pore wurde zur Wüste, und meine aufgesprungenen Lippen schmerzten bei jedem Atemzug. Es war, als würde ich über einem brennenden Lagerfeuer atmen und die Hitze gierig in die Lungen saugen.
Plötzlich durchzuckte mich ein Bild, ein schrecklicher Gedanke, der sich wie ein spitzer Dolch in das Herz bohrte. Meine Familie! Meine Eltern, meine kleine Schwester!
Wo waren sie? Das Schlafzimmer der Eltern lag am anderen Ende des langen Korridors. Weit weg und unerreichbar in diesem Alptraum aus Feuer. Die Gestalten, die ich gesehen hatte, waren sie ...? Ich wagte nicht, diesen Gedanken zu beenden. Die Worte wollten aus meinem Mund brechen, ich wollte sie rufen, aber die unerbittliche Hitze verschlug mir die Stimme.
Dann fiel mein Blick auf das Zimmer meiner Schwester, direkt neben meinem. Ein Durchgangszimmer, das uns verband, kein Flur der und trennte. Die Flammen hatten diesen Zugang noch nicht versperrt, aber die Zeit wurde knapp.
Mit jedem Herzschlag, der wild in meiner Brust pochte, spürte ich, wie sich lähmende Angst in mir ausbreitete. In dem Zimmer wüteten die Feuerzungen, ein infernalisches Höllenfeuer, das alles zu verschlingen drohte. Die Hitze, die von den züngelnden Flammen ausging, war erstickend, und in der Luft lag ein beißender, fast süßlicher Geruch von verbranntem Holz und Plastik.
Meine nackten, vom Adrenalin getriebenen Füße berührten den blauen Teppichboden, der unter meinen Sohlen nachzugeben schien. Jeder Schritt fühlte sich an, als liefe ich über glühende Kohlen. Ich zwang mich, weiter zu gehen, weg von diesem höllischen Inferno, das sich nun bis zu dem Bett ausbreitete.
Vor mir lag die schmale Tür, die unsere Zimmer trennte. Es war eine einfache Falttür, aber in diesem Moment fühlte sie sich wie eine massive Barriere an. Die Hitze hatte bereits begonnen, die Kunststoffeinfassung der Tür zum Schmelzen zu bringen. Meine Hände zitterten wild, als ich mich in das dünne Holz krallte und daran zog, als hinge mein Leben davon ab. Tränen liefen mir übers Gesicht, aber sie verdampften auf der Haut, bevor ich überhaupt merkte, dass ich weinte.
Endlich gab die Tür nach und ich drängte mich ins Nebenzimmer. Doch bevor ich auch nur einen Atemzug nehmen konnte, wurde der Eingang von einem rot glühenden Flammenmeer verschluckt. Die Welt um mich herum verschwamm in einem Strudel aus Grauen und Angst.
Mein Blick fiel auf meine Schwester, die in ihrem Bett lag. Ihr Körper glänzte, als wäre sie gerade aus der Badewanne gestiegen. Die blonden Haare klebten an ihrem Gesicht. Ihre Augen waren geschlossen, sie schlief tief und fest. Sie ahnte nichts von der Katastrophe, die sich um uns herum abspielte, und von der unmittelbaren Lebensgefahr, in der wir schwebten.
In einem Akt verzweifelter Panik zerrte ich heftig an ihrem Arm, fast gewalttätig. Sie wurde beinahe aus dem Bett geschleudert, und ich schrie ihren Namen, als hätte ich die Kontrolle verloren. Ihre Augen sprangen auf, voller Verwirrung und Angst, und sie starrte mich fassungslos an. Worte wollten ihr über die Lippen kommen, doch sie blieben in ihrer Kehle stecken, erstickt von der surreal anmutenden Hölle um uns herum.
Ihr Blick fiel auf die Feuerwand, die sich unaufhaltsam durch die dünne hölzerne Falttür fraß und die Balken des Fachwerks schwarz färbte.
„Wir müssen hier raus!“, rief ich, aber meine Stimme klang nur wie ein heiseres Flüstern, während die Luft um uns herum trocken und drückend heiß war, als hätte sie all unsere Hoffnung aufgesogen.
„Wo sind Mama und Papa?“, schluchzte sie, Tränen kullerten über ihre roten Wangen und vermischten sich mit der Asche, die auf uns niederzuregnen schien.
„Ich weiß es nicht“, antwortete ich, meine Augen suchten verzweifelt nach einem Ausweg. „Wir können nicht zu ihnen, wir müssen hier raus.“ Ich griff nach ihrer zitternden Hand und zog sie mit mir zum Fenster. Meine Finger umklammerten den Metallgriff und ich stöhnte vor Schmerz. Der Knauf war heiß, nicht glühend, aber heiß genug, um meine Haut zu verbrennen. Blitzschnell griff ich nach hinten, nahm die rosa Wolldecke, die auf einem Stuhl lag, und wickelte sie um meine Hand, bevor ich das Fenster öffnete.
Die Läden waren geschlossen und ich stieß sie mit aller Kraft auf. Ein Schwall kühler Luft schlug mir entgegen, eine dringend benötigte Erleichterung inmitten des Infernos. Ich starrte nach draußen, der Boden schien unerreichbar. Doch wir hatten keine Wahl. Entweder wir sprangen und riskierten, uns alle Knochen zu brechen, oder wir blieben hier und ließen uns qualvoll von den Flammen verzehren.
Hinter mir schrie meine kleine Schwester. Panik hatte ihr Gesicht fest im Griff, ihre Worte gingen im Tosen des Feuers und ihrem eigenen lauten Schluchzen unter. Aber ich konnte jetzt keine Rücksicht nehmen. Die Zeit rann uns durch die Finger wie glühende Lava und wir mussten handeln, bevor es zu spät war.
Ich packte meine Schwester fest an den Armen, meine Finger krallten sich in ihre zarte Haut, als ich sie mit aller Kraft auf die steinerne Fensterbank hob. Ihre Hände klammerten sich verzweifelt in das dunkle Holz, ihre Fingernägel kratzten hilflos über die raue Oberfläche. Ihr Gesicht war vor Angst verzerrt, die Augen weit aufgerissen, als sie den Kopf schüttelte, um sich gegen das Kommende zu wehren. Ihre Lippen formten stumme Worte, flehten mich an, aufzuhören. Aber ich konnte keine Rücksicht nehmen, ich stieß sie hinab in die rettende Freiheit.
Ein Schrei zerriss die Stille.
Ich saß aufrecht in meinem Bett, Schweiß stand mir auf der Stirn und mein Herz hämmerte wild in meiner Brust. Mein Puls raste, als ich in die Dunkelheit des Kinderzimmers starrte, die sich um mich herum ausbreitete. Kein Flammenmeer, kein beißender Rauchgeruch, keine Schreie in der Luft. Es war ein Traum. Ein schrecklicher Alptraum. Einer, der mich seit Wochen immer wieder heimsuchte, mich quälte und meine Nächte zur Tortur machte. Mal mehr, mal weniger dramatisch, aber immer mit dieser grauenvollen Intensität.
Langsam beruhigte sich mein Herzschlag, aber die Erinnerung an den Traum verblasste nur widerwillig. Ich atmete tief durch und versuchte, das Grauen und die Angst abzuschütteln, die mich noch immer überkam.
Plötzlich wurde die Tür des Zimmers aufgerissen, ein quietschendes Geräusch hallte durch den Raum. Meine Mama stand im Kinderzimmer, nur in ihr Nachthemd gekleidet, ihre Haare wirkten wirr und ungepflegt. Panik durchzog ihre blauen Augen und ihr Atem ging schnell und flach. Hinter ihr, im Flur, flackerte ein seltsames Licht, warf unheimliche Schatten an die Wände und verbreitete eine unheilvolle Atmosphäre. Ein eisiger Schauer lief mir über den Rücken, und mein Herz setzte für einen Moment aus, als ich mich fragte, ob ich noch immer in meinem Albtraum gefangen war.
„Steh auf! Raus aus dem Haus! Raus aus dem Hof, über die Straße!“, schrie sie, und ihre Stimme durchdrang meine noch schlaftrunkene Verwirrung. Sie stürmte in das Zimmer meiner kleinen Schwester, und ich war wie gelähmt vor Unverständnis. Ich träumte sicher noch.
Dann durchbrach eine ohrenbetäubende Sirene die Stille. Es war der vertraute Feueralarm, der das Dorf seit Monaten immer wieder aus dem Schlaf riss. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken, während ich mich fragte, welcher Hof diesmal betroffen war und wie lange es wohl noch dauern würde, bis sie den rätselhaften Brandstifter fanden, der hier schon so lange sein Unwesen trieb.
Mit meiner kleinen Schwester auf dem Arm kam meine Mutter in zurück in das Zimmer, die Augen voller Angst und Entschlossenheit. Sie packte mich grob an der Schulter und schüttelte mich. „Was machst du noch hier?! Wir müssen raus!“
Sie riss mich aus dem Bett und ich stand da, nur mit Unterhose und Unterhemd bekleidet, als sie mich vor sich her in den Flur schob, in Richtung Haustür. Die Tür stand bereits weit offen, und von draußen drangen panische Stimmen herein. Ein seltsames orangefarbenes Flackern erhellte die Dunkelheit.
Barfuß betrat ich den Hof und sofort umfing mich eine sengende Hitze. Mein Blick schweifte zu den beiden alten Scheunen, die den Hof auf einer Seite begrenzten und sich zu den Gärten hin öffneten. Doch was ich sah, ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Meterhohe Flammen schlugen aus den Gebäuden und verzerrten alles auf ihrem zerstörerischen Weg.
Meine Gedanken waren ein Chaos aus Angst und Entsetzen, als mir bewusst wurde, dass unsere Welt in diesem Alptraum aus Feuer und Panik unterzugehen drohte.
Schreie drangen an mein Ohr, durchbrachen mein Gemüt mit einer intensiven Kälte des Grauens. Es waren keine gewöhnlichen Schreie, sondern markerschütternde Töne, wie ich sie noch nie in meinem Leben gehört hatte. Jeder Laut zerriss mir das Herz und verschlang meine Seele vor Qual, während er sich gnadenlos in meine Trommelfelle brannte. Es waren die Schreie der unschuldigen Kreaturen, der Schweine und Hühner, die in diesem lodernden Inferno gefangen waren. Ihre Schmerzenslaute zerrten an meinen Nerven und ließen mich zittern.
In der Ferne sah ich, wie mein Papa und der Nachbar verzweifelt nach einem weg suchten, die eingesperrten Tiere zu befreien. Aber die Flammen, diese höllischen Zungen des Verderbens, hielten sie auf Abstand und ließen keinen Raum für Rettung. Todesschreie hallten über den Hof, zerrissen die Nacht und verhallten schließlich in den dunklen Wolken, wo ihre armen Seelen hoffentlich Erlösung fanden.
Plötzlich packte mich eine eiserne Hand am Arm und riss mich aus meiner Starre. Hastig zerrte mich die Nachbarin über die Straße auf den angrenzenden Bürgersteig. Dort stand ich wie erstarrt und blickte in das schreckliche Flammenmeer. Die gequälten Schreie drangen in mein Bewusstsein und neben den lodernden Flammen sah ich die Reste von Asche und verkohlten Holz. Der beißende Geruch von verbranntem Gefieder und rohem Fleisch stieg mir in die Nase und verursachte Übelkeit. Ich spürte, wie mir die Tränen unaufhaltsam die Wangen hinunterliefen und begriff, dass ich völlig machtlos war.
Und während in der Ferne das Blaulicht der Martinshörner ertönte und sich langsam näherte, hatten sich die schrecklichen Schreie und der grausame Gestank bereits tief in meine Erinnerung eingegraben. Sie waren ein Teil von mir geworden, den ich nie vergessen würde, eine unheilvolle Melodie des Grauens, die mein Herz für immer heimsuchen würde.
Urheberrecht ©Jen Thorn
Alle Rechte vorbehalten.
Ich gestatte nicht, dass meine Arbeit ohne meine Zustimmung in irgendeiner Weise verwendet oder bearbeitet wird.
Unerlaubtes Kopieren und Verbreiten des Textes oder Teilen davon für eigene Publikationen wird strafrechtlich verfolgt.